Schicksale jüdischer Frauen aus Ungarn

Die meisten der in Rochlitz inhaftierten Jüdinnen stammten aus Ungarn. Nach dem März 1944 wurde eine antijüdische Gesetzgebung vom ungarischen Parlament erlassen, welche unter anderem die Ghettoisierung und Deportation der ungarischen Juden festlegte. Durchgeführt wurden diese Maßnahmen von der ungarischen Gendarmerie und überwacht und kontrolliert vom „Sondereinsatzkommando der Sicherheitspolizei und des SD Ungarn“ (SEK), dass von Adolf Eichmann geleitet wurde. Zwischen dem 14. Mai und dem 9. Juli 1944 wurden mehr als 430.000 Menschen, die als Juden galten, aus Ungarn deportiert, in ihrer überwiegenden Mehrheit nach Auschwitz.1

 

 

 

Lea Tanzmann

 

Die am 20.2.1923 geborene Lea Tanzmann stammt aus dem zur Zeit des Zweiten Weltkriegs zu Ungarn gehörenden Städtchen Slatinske Doly (heute Solotwyno, Uktaine). 1944 wurden die dort lebenden Juden ghettoisiert. Nach etwa einem Monat wurden sie nach Auschwitz deportiert. Ihre Eltern und ihre Brüder wurden dort in den Gaskammern ermordet. Lea Tanzmann war mit ihren beiden Schwestern Magda und Chedwa für einige Monate in Birkenau interniert. Dann deportierte man die drei Schwestern nach Bergen-Belsen. Dort wurden sie dann für das Außenkommando Rochlitz ausgewählt. In Rochlitz war Lea Tanzmann für etwa einen Monat Blockälteste. Nachdem Rochlitz aufgelöst wurde, kam sie ins Außenlager Graslitz, das circa einen Monat später aufgelöst wurde. Die Häftlinge wurden von der SS in Richtung Böhmerwald getrieben, wobei die nicht mehr gehfähigen erschossen wurden. Lea Tanzmann und ihre Schwestern überlebten den Marsch bis befreit wurden.2

Nach dem Krieg wanderte Lea Tanzmann nach Israel aus.

 


Pakula Chedwa

 

Chedwa Pakula stammt aus Slatinske Doly in Karpato-Russland und war die jüngere Schwester von Lea Tanzmann. Bei ihrer Ankunft in Rochlitz war sie erst vierzehn Jahre alt. Wie ihre Schwester wanderte sie nach ihrer Befreiung nach Israel aus.

 


 

Elisabeth Isaac

 

Elisabeth Isaac wurde 1927 in Abaújszánto, einem 5000-Seelen-Dorf in Ungarn, geboren. Mit Erlass der Gesetze 1944 mussten sie und ihre Familie den gelben Stern tragen. Es herrschte Ausgehverbot. Im April 1944 begann unter dem wohlwollendem Zugucken vieler Dorfbewohner die Deportation. Die Juden wurden in der Dorfschule zusammen gepfercht. Alte Bekannte, Nachbarn, Spiel- und Schulkameraden schlugen und beraubten sie. Sie wurden in Waggons nach Kosice gebracht, wo sie Zwangsarbeit in einer Ziegelei verrichten mussten. Dann wurden Elisabeth Isaac und ihre Familie nach Auschwitz deportiert. Ihre Eltern wurden dort ermordet. Sie erinnert sich:

 

„Wir hatten ein schreckliches Leben. Wir wurden brutal behandelt. Zwischen den Baracken lagen menschliche Ruinen im Sand, und wer starb, wurde auf Holzkarren ins Krematorium gebracht.“3

 

Sie kam mit dem ersten Transport nach Rochlitz und blieb dort bis sie nach Calw kam, wo sie täglich 10 bis 12 Stunden an der Revolverbank arbeiten musste bis das Lager aufgelöst wurde und sie einen Evakuierungsmarsch antraten. Im September 1945 ging sie nach Ungarn und von dort aus nach Beer Sheva, Israel. In den sechziger Jahren erhielt sie von der Bundesrepublik 5.000 DM „Wiedergutmachung“.4

„Obwohl es schon 40 Jahre her ist, sind die Wunden und der Schmerz in mir noch lebendig“5, schreibt sie 1988.

 

Teresa Singer

 

Teresa Singer wurde 1927 in der Türkei geboren und wuchs in der ungarischen Stadt Kunhegyes auf. Im 1944 wurden die örtlichen zunächst in Kunhegyes und dann in Szolnok ghettoisiert und einge Zeit später nach Auschwitz deportiert, wo sie am 1.7.1944 eintraf. Ende September 1944 wurde sie von dort aus nach Bergen-Belsen gebracht. Am 16. Dezember 1944 wurde sie nach Rochlitz abtransportiert. Dort blieb sie bis zur Evakuierung, kam zunächst nach Graslitz. Nach drei Wochen begann von dort aus ein Evakuierungsmarsch. Frau Singer erinnert sich:


„Ich möchte einen Wachangehörigen-Wehrmachtssoldaten aus Rochlitz erwähnen, welcher mich während des Evakuierungsmarsches rettete. Am Ende der Kolonne war ein junger SS-Mann aus Graslitz, welcher alle Häftlinge erschoss, welche nicht mehr weitergehen konnten. Es kam ein Moment, wo auch ich nicht mehr weiter konnte, ich legte mich in den Graben am Wegrand und wartete auf den Tod. Der alte Wachmann aus Rochlitz hob mich auf, redete mir Mut ein, stieß mich in die Kolonne und zwang mich, weiter zu gehen. Am nächsten Tag flüchtete ich.“6

 

 

1 Randolph L. Braham, The Destruction of Hungarian Jewry. A Documentary Account (New York 1963), Dokument 440

 2Vgl.: BA Ludwigsburg B 162/18257 , Blatt 27, Vernehmung der ehemaligen Häftlingsfrau Lea Tanzmann durch israelische Polizei in Beit Dagan, Israel vom 23.8.1968

3Seubert 1989, S.53

4Vgl.: Seubert 1989, S.49ff.

5Seubert 1989, S.55

6BA Ludwigsburg B 162/18257 , Blatt 31, Vernehmung der ehemaligen Häftlingsfrau Teresa Singer durch israelische Polizei in Beit Dagan, Israel vom 26.8.1968